DGKJP Programm 2015 - page 6

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GRUSSWORT DES KONGRESSPRÄSIDENTEN
Veränderte Gesellschaft – Veränderte Familien: Herausforderungen
für die Diagnostik und Behandlung psychischer Störungen bei
Kindern und Jugendlichen
Mit diesem Titel stellt der Kongress der Deutschen Gesellschaft für
Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie die
gesellschaftlichen Veränderungen, Herausforderungen und Verantwor-
tungen für die psychische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in
Deutschland ins Zentrum des viertägigen Kongresses im Hauptgebäude
der Ludwig-Maximilians-Universität in München 2015.
Angesichts steigender Zahlen ambulanter und stationärer Behandlun-
gen von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen stellt sich
die Frage, welche Veränderungen haben in den letzten Jahrzehnten statt-
gefunden, die die hohe Erkrankungsrate erklären können. Ca. 10% der
7 bis 17 Jährigen in Deutschland leiden an einer psychischen Störung.
Zu den häufigsten Störungen gehören Angststörungen, Depression,
Aufmerksamkeits- und Verhaltensstörungen, Essstörungen und Sucht-
erkrankungen. Deutlich zugenommen haben die akuten Krankenhausbe-
handlungen, insbesondere auch Notaufnahmen wegen Suizidversuchen
und Alkoholintoxikation von Jugendlichen. Mobbing, in den letzten Jah-
ren verstärkt im Internet in Form von Cyberbullying, gefährdet die psy-
chische Entwicklung nachhaltig. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen,
die Hilfen zur Erziehung erhalten, ist stark angewachsen. 6–8% ist der
jährliche Zuwachs an Kindern, die in Obhut genommen werden.
Zu den bedeutsamen Risikofaktoren für psychische Störungen bei Kin-
dern und Jugendlichen gehören ein niedriger sozialer Status der Familie,
psychische Erkrankungen der Eltern, Migrationshintergrund, ausgepräg-
te innerfamiliäre Konflikte, frühe traumatische Erlebnisse sowie chroni-
sche körperliche Erkrankung eines Geschwisters oder Elternteils.
Familie in Deutschland hat sich deutlich verändert, Trennung und Schei-
dung sind häufig, das Leben mit einem Elternteil (19%) und die Kinder-
losigkeit (21,7%) nehmen kontinuierlich zu. Die Kinderzahl in den
Familien nimmt ab, Familien mit Migrationshintergrund stellen mit 28%
einen großen Anteil der Familien in Deutschland dar. Gewachsen ist
der Anteil der Kinder, die in Armut oder mit Armutsrisiko aufwachsen
mit zugleich häufigeren gesundheitlichen Beschwerden und geringeren
Bildungschancen.
Auch Schule hat sich verändert. Mit der Einführung des G8 findet eine
anhaltende Diskussion über die psychischen Folgen der verkürzten
Schulzeit verbunden mit der Zunahme der Lehr- und Lernzeiten in den
acht Jahren statt. Ganztagsschulen, viele Jahre heftig umstritten, sind ein
mittlerweile etabliertes und weitverbreitetes Schulkonzept.
Gerd Schulte-Körne
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